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Wie steht es um Indiens Wirtschaft 2022 und darüber hinaus?

Indiens Wirtschaft wurde durch die Covid-19-Pandemie stark erschüttert. Die Erholung erfolgt angesichts immer neuer Viruswellen schleppend, allerdings erwartet Priyanka Kishore, Leiterin Indien und Südostasien bei Oxford Economics, dass der wirtschaftliche Schaden durch den aktuellen Ausbruch im Vergleich zu den ersten beiden Corona-Infektionswellen weitaus geringer sein wird. Aber wie schnell kann sich das BIP Indiens erholen und wie nachhaltig ist eine potentielle Erholung? Wir sprachen mit ihr über Indiens Wirtschaftsausblick.

AsiaFundManagers.com: Indien wurde von der Covid-19-Pandemie schwer getroffen. Wie ist es heute, 2 Jahre nach Ausbruch, um die indische Wirtschaft bestellt?

Priyanka Kishore: Wenn man sich nur die Schlagzeilen ansieht, ist die Geschwindigkeit des Wirtschaftsaufschwungs in Indien beträchtlich. Im 1. Quartal 2021 lag das BIP wieder auf dem Niveau vor der Pandemie, wurde dann aber von der zweiten Welle erneut erschüttert. Mit diesem Ergebnis hatten viele nach dem strikten Lockdown im Jahr 2020 nicht gerechnet.

Das Gesamtbild täuscht jedoch über den wahren Stand des Aufschwungs hinweg. Die Gewinne sind nicht breit gefächert, und die Daten zeigen deutlich, wie stark die Leistungen in den einzelnen Sektoren voneinander abweichen, wenn man z.B. große Unternehmen mit kleineren Unternehmen oder formelle mit informellen Arbeitnehmern vergleicht. Daher hinken die schwächeren Bereiche der Gesellschaft, die noch dazu stärker von der Pandemie betroffen waren, dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung noch immer hinterher.

Das Tempo des Aufschwungs in Indien wird also in hohem Maße davon abhängen, wie sich diese Bereiche entwickeln, da dies wichtige Auswirkungen auf Verbrauch, Produktion und Investitionen hat. Angesichts des stark gebeutelten Arbeitsmarktes sind wir bei Oxford Economics skeptisch, dass Indiens BIP auch in 5-10 Jahren wieder auf den Stand von vor der Pandemie zurückkehren wird. Vielmehr gehen wir davon aus, dass die Lücke mit 7-8% wesentlich größer sein wird.

AsiaFundManagers.com: Was unternimmt die indische Regierung, um das Wirtschaftswachstum zu fördern?

Priyanka Kishore: Die Regierung hat nach sehr großer Verzögerung erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Impfkampagne zu beschleunigen. Nach dem Anstieg der Erstimpfungen im 3. Quartal des Vorjahres werden voraussichtlich bis Mitte 2022 mehr als 80% der indischen Bevölkerung vollständig geimpft sein. Dies ist ein gutes Zeichen für die Konsum- und Wachstumsaussichten und dürfte insbesondere den Dienstleistungsbranchen mit hohem Kontaktbedarf zugutekommen.

Indiens direkte fiskalische Reaktion auf die Pandemie war jedoch mit weniger als 5% des BIP recht verhalten. Stattdessen hat sich die Regierung auf höhere Infrastrukturausgaben konzentriert. Im Budget für das GJ 2022 (April 2021-März 2022) waren 74 Mrd. USD für Investitionen vorgesehen, was einem Anstieg von 26% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Auch wurde vorgeschlagen, den Anteil am BIP auf den höchsten Stand seit über zehn Jahren zu erhöhen. Dies hat kurzfristig Investitionen angekurbelt und den raschen Wiederanstieg vom Tiefpunkt der Pandemie unterstützt. Es hat aber nicht dazu beigetragen, die Ungleichheiten des Aufschwungs zu beheben. Dafür wäre eine umfassendere Mittelzuweisung nötig.

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AsiaFundManagers.com: Wo sehen Sie die wichtigsten Veränderungen bzw. Treiber, die für einen Aufschwung im Jahr 2022 erforderlich sind?

Priyanka Kishore: Unserer Meinung nach ist eine Prüfung der fiskalischen Prioritäten von größter Bedeutung. Die Regierung hat sich bemüht, das Haushaltsdefizit zu verringern, um die Sorgen hinsichtlich der Kreditwürdigkeit Indiens zu reduzieren. Es spricht jedoch vieles für eine gezieltere Unterstützung, ohne dabei die Investitionsausgaben aufs Spiel zu setzen. Dies würde nicht nur einen umfassenderen Aufschwung ermöglichen, sondern auch das Gesamtwachstum steigern. Auf kurze Sicht wird damit aber auch eine erhebliche Verlangsamung des Tempos der Haushaltskonsolidierung einhergehen. Unsere Modelle zeigt jedoch, dass ein gut durchdachtes Fiskalpaket dazu beitragen kann, den Produktionsverlust mittelfristig zu begrenzen und gleichzeitig den Ratingagenturen einen glaubwürdigen Konsolidierungsweg zu präsentieren.

Darüber hinaus wird eine stärkere fiskalische Unterstützung es der Reserve Bank of India (RBI) ermöglichen, sich auf die Verringerung der Inflationsrisiken zu konzentrieren. Angesichts des nachlassenden fiskalischen Anreizes steht die Zentralbank in der Pflicht, den fragilen Aufschwung zu fördern. Hier hat sich die Geldpolitik als grundsätzlich akkommodierend gezeigt, auch wenn die Verbraucherinflation durch die Pandemie hartnäckig und erhöht war. Die Zentralbank hat die große Produktionslücke und den mangelnden Nachfragedruck als Grund für ihr Vorgehen angeführt. Dabei sind die Inflationserwartungen der privaten Haushalte gestiegen und könnten letztendlich auch zu einem stärkeren konjunkturellen Druck auf den tatsächlichen Inflationsverlauf führen, insbesondere da sich die Produktionslücke weiter verringert. Hier wäre es also wichtig, diese Erwartungen zu steuern, bevor sie sich weiter festigen und zu einer Lohninflationsschleife führen.

AsiaFundManagers.com: Wie lauten Ihre Prognosen für Indiens Wirtschaftswachstum im Jahr 2022?

Priyanka Kishore: Bisher deuten Forschungen weltweit darauf hin, dass die Omikron-Variante des Coronavirus im Vergleich zu ihren Vorgängern harmloser ist und die Gesundheitssysteme wahrscheinlich nicht erheblich belasten wird. Dennoch wird sich der rasche Anstieg der täglichen Covid-Fälle in Indien und der positiven Testergebnisse zwangsläufig negativ auf die Stimmung und die Mobilität auswirken. Auch gehen wir davon aus, dass sich die Beschränkungen in den einzelnen Bundesstaaten in naher Zukunft weiter verschärfen werden. Aus diesem Grund haben wir unsere Erwartungen gedämpft, was die Prognose für das 1. Quartal betrifft.

Trotzdem rechnen wir mit weitaus weniger wirtschaftlichen Schäden durch den aktuellen Ausbruch als noch bei den ersten beiden Infektionswellen, da sich die Wirtschaft dahingehend entwickelt hat, mit Covid-bedingten Störungen besser umzugehen. Auch erwarten wir nachhaltigere Wiedereröffnungen und einen dauerhaften Aufschwung ab dem 2. Quartal, da zu diesem Zeitpunkt ein erheblicher Teil der Bevölkerung vollständig geimpft sein dürfte. Daher haben wir zuletzt unsere BIP-Wachstumsprognose für 2022 von 7,8% auf 7,9% angehoben.

AsiaFundManagers.com: Wie sehen Ihre Investment-Aussichten für Indien aus und in welchen Sektoren sehen Sie die größten Chancen?

Priyanka Kishore: Die rasche Erholung der Investitionsausgaben (CAPEX) von den Tiefstständen im Jahr 2020 hat Hoffnungen geweckt, dass sich Indiens Investmentflaute dem Ende nähert. Der Rückgang des Investitionsanteils am BIP stellt seit fast einem Jahrzehnt ein Problem dar und hat Indiens Wachstumspotenzial von 7,2% in den Jahren 2004-2011 auf 6,6% in den Jahren 2012-2019 gedrückt. Unsere differenzierte Analyse der zugrunde liegenden Trends deutet jedoch darauf hin, dass die Investmentsrate kurz vor ihrem Höhepunkt steht.

Bisher wurden die zunehmenden Investitionsausgaben weitgehend von den öffentlichen Ausgaben getrieben. Allerdings schränken fiskalische Zwänge und Bedenken hinsichtlich der Kreditwürdigkeit den Spielraum für die Regierung ein, die allgemeine Investitionsentwicklung auf ewig zu fördern. Hier wäre eine stärkere Beteiligung des Privatsektors nötig, doch die Voraussetzungen dafür sind noch nicht ausreichend geschaffen. Auch bereiten Altlasten wie geringe Kapazitätsauslastungen und Bilanzprobleme weiterhin Schwierigkeiten, vor allem bei KMUs.

Das soll aber nicht heißen, dass es gar keine Investmentmöglichkeiten gibt. Schließlich bieten bevorstehende Strukturveränderungen wie Digitalisierung und Dekarbonisierung enorme Chancen. Studien gehen davon aus, dass Indien in den 2020er und 2030er Jahren rund 200 Mrd. USD pro Jahr investieren muss, um bis 2070 Netto-Null-Emissionen zu erzielen. Derzeit gibt Indien jährlich weniger als 100 Mrd. USD für Energieinvestitionen aus. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Investitionen ohne einen erheblichen Beitrag aus dem Privatsektor getätigt werden können.

Die internationale Erfahrung zeigt jedoch, dass große Strukturveränderungen innerhalb eines Sektors nicht zwangsläufig zu höheren Investitionsausgaben führen. Neue Umschichtungen gehen oft mit geringeren Investitionen in Sektoren einher, die Verluste verzeichnen. Auch ist eine Finanzierung dieser Investments nicht so einfach. Letzten Endes stellt Indiens sinkende Sparquote ein Hemmnis dar. Ohne Strukturreformen zur Anhebung der Sparquote dürfte sich die Investitionsquote langfristig auf einem niedrigeren Niveau einpendeln.

AsiaFundManagers.com: Vielen Dank für das Interview.
Priyanka Kishore
Priyanka Kishore, Oxford Economics

Head of India und South East Asia Macro
Oxford Economics

Priyanka Kishore leitet das Global-Macro-Services-Team von Oxford Economics in Singapur und ist für das Management der Süd- und Südostasienresearch des Unternehmens verantwortlich. Sie verfügt über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung in der makroökonomischen Forschung und Prognose für Schwellenländer, wobei sie sich seit 2006 besonders auf die Regionen Indien und ASEAN konzentriert.

 

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